Keine Gnade mit dem Gnadenhof

Ein unterhaltsamer Krimi für laue Sommerabende und für den Strandurlaub
Ein unterhaltsamer Krimi für laue Sommerabende und für den Strandurlaub
Inhalt

Als Ulrich Stadler, Museumspädagoge im Schwäbischen Bauerhofmuseum in Illerbeuren, den allabendlichen Rundgang durch die alten Gebäude des Museums macht, traut er seinen Augen nicht. An einem Tisch im so genannten Uttenhof sitzen drei lebensecht wirkende Figuren, die tags zuvor noch nicht dort gesessen haben. Als er sich den drei Gestalten nähert, macht er eine erschreckende Entdeckung: es sind drei Leichen, die dort an die Holzstühle gebunden wurden.

Eike Hansen, der aus Niedersachsen stammende Kommissar, soll diesen Fall aufklären. Wie auch im ersten Band dieser Krimiserie macht er sich im Team mit Hanna Fischer und Willy Haffmeyer auf die Suche nach dem oder die Mörder.

Fakten

Titel: Gnadenhof (Allgäu-Krimis, Band 2)
Autor: Jürgen Seibold
Verlag: Piper
Seitenzahl: 368
Preis: 9,99 Taschenbuch
ISBN-13: 978-3492300759*

Autor

Jürgen Seibold (*1960) startete seine Autorenlaufbahn als Musikerbiograf, bis er sich 2007 dem Regionalkrimi zuwandte und seinen ersten Krimi namens „Endlich ist er tot“ schrieb.

2012 erschien der Psychothriller „Kinder“, der im Raum Stuttgart und in der Vulkaneifel spielt.
2013 startete er mit „Rosskur“ eine neue Allgäukrimiserie, in dem der aus Niedersachsen stammende Kommissar Eike Hansen seine Arbeit im Allgäu aufnahm und in aktuell drei Bänden (Rosskur, Gnadenhof und Landpartie) ermittelt.

Jürgen Seibold lebt mit seiner Familie in Süddeutschland.

Meine Meinung

Vorab sollte ich erwähnen, dass ich a) Allgäuerin und b) kein Fan von Allgäu-Krimis bin. Weder mag ich die auffällig einfache Schreibweise der Laienautoren, noch die klischeebehafteten Storys von kässpatzenfressenden Kommissaren und pseudogebildeten „Zug’reisten“. Deshalb traute ich mich nur zaghaft an die Werke dieses – mir bis dato unbekannten – Autors ran und trat ihnen mit viel Skepsis entgegen.

Um es vorweg zu nehmen: ich wurde erstaunlicherweise positiv überrascht.

Wie auch im ersten Fall der Krimiserie arbeiten der aus Norddeutschland stammende Eike Hansen und die beiden Allgäuer Ermittler Hanna Fischer und Willy Haffmeyer als Team zusammen. So waren mir die wichtigsten Figuren von Anfang an vertraut. Ob ein Quereinsteiger, der mit dem zweiten Band zu lesen beginnt, so leicht mit dem Dreigestirn vertraut wird, möchte ich bezweifeln. Es gab viele Situationen, in denen ich mich fragte, wie der Leser diese oder jene Information verstehen soll, wenn er den ersten Teil nicht gelesen hat. Deshalb empfehle ich, die Reihenfolge unbedingt einzuhalten.

Den Titel „Gnadenhof“ finde ich unglücklich gewählt. Ein Gnadenhof ist ein – meist von Spenden lebender – Bauernhof, in dem Tiere, die keiner mehr haben will, ihren Lebensabend verbringen und dort ihr „Gnadenbrot“ bekommen. Einen Zusammenhang zur Geschichte sah ich während des Lesens kein einziges Mal und auch die kurze Erklärung, die maximal einen Absatz lang war, fand ich mehr als fadenscheinig. Ich hatte den Verdacht, dass man für den Krimi nachträglich einen anderen Titel gewählt hatte und diesen nun irgendwie in die Geschichte einfließen lassen musste. Die Begründung dazu wurde dann vermutlich nachträglich irgendwie in die Story „reingepfriemelt“, wie wir Allgäuer sagen.

Ansonsten fand ich die Geschichte recht stimmig. Schon früh führen die Spuren in die Westallgäuer Heimat der drei Toten und dort direkt zu den Nachbarn, die allesamt einen Vorteil vom Tod der Bauersfamilie hätten. So gibt es gleich einen ganzen Haufen an Verdächtigen, deren Namen ich mir erst einmal merken musste. Wer mich kennt, weiß, dass ich damit immer meine Probleme habe. Alles, was über acht bis zwölf Personen hinaus geht, strengt beim Lesen ungemein an. In diesem Fall habe ich mir mal die Mühe gemacht und die Figuren aus dem Roman aufgeschrieben und komme dabei auf ungefähr vier Dutzend Personen*, die man sich – teilweise inkl. ihrer Hintergrundgeschichte – merken muss. Da kam es bei mir immer wieder einmal zu Verwechslungen zwischen den Tatverdächtigen und ihrem jeweiligen Besitzstand und Tatmotiv.

Vielleicht ist es deshalb ganz gut, dass die Story selbst dann recht einfach gehalten wurde und man sich nicht mit verschiedenen möglichen Motiven auseinander setzen musste. Im Grund musste man sich als Leser nur noch darauf konzentrieren, den „Verhören“ des Kommissars zu folgen, daraus die Hinweise zu filtern und die Informationen zu analysieren, die die Rechtsmedizin nach und nach aus ihren Untersuchungen beimischten. Klingt einfach? Ist es aber nicht. Zum Schluss überrascht das Ende zwar nicht wirklich, aber als sich der eigentliche „Mordvorgang“ nach und nach „aufdröselt“, ist man doch irgendwie erleichtert. Zwar hatte sich während der knapp 360 Seiten kein richtiger Spannungsbogen zeigen wollen – trotzdem ist man erstaunt, was sich während der Tatnacht zugetragen hat und wie der Mord zustande kam. Kann man das noch Plott nennen? Ich weiß es nicht. Überrascht hat es mich zwar schon, aber in meinen Augen war das ganze etwas zu „kurz und schmerzlos“, um ein richtig packender Krimi zu sein.

Fazit

Ein unterhaltsamer, dahinplätschernder Krimi, der für laue Sommerabende oder als Strandlektüre hervorragend geeignet ist. Der kurze, schmerzlose Aha-Effekt am Ende des Romans ruft kein „boaaaaah, das der Wahnsinn“ hervor, aber immerhin ein kleines, zufriedenes Glucksen 😉

Ich vergebe 3,5 Sterne und fand den ersten Teil („Rosskur“) besser.

*Tanja und Tom Schaber, Resi Meyer, Frau Walburga, Eike Hansen, Willy Haffmeyer, Hanna Fischer, Vroni Schliers, Bauer Hudlmeier, Dr. Ernst Fessler, Ulrich Stadler, Herr Zang; Sepp Nairolf, Sandra Vöckler, Oma Johanna, Sabine Vöckler, Franz Vöckler, Hardy Koller, Kritz, Xaver Groschinger, Anke Groschinger, Dr. Dieter Kurrleitner, Gudrun Labranz, Franz Stiller, Benedikt Huthmacher, Christoph Ohser, Fritz Marle, Herr Ohser, Rosemarie Kritz, Alfred Kritz, Achim Hehnel, Richard Habergsell, Anton Habergsell, Friederike Habergsell, Ignaz, Rosemarie Schwegelin, Franka Fesl, Andreas Roth, Heike, Klaus Sperber, Martin Lemperger, Hagen Rießfeld, Sarah Rüegg, Goran Gingic, Thomas Groß, Julia Müller)