BUCHREZENSION. Heute rezensiere ich den Thriller »Kind 44*«, den wir im Rahmen der 2. LeseChallenge der Hörmupfel gelesen haben. Das Buch ist 508 Seiten stark und kostet als Taschenbuch 9,95 Euro.
| Fakten
Titel: Kind 44*
Autor: Tom Rob Smith
Seitenzahl: 508
Preis: 9,95
ISBN-13 (Taschenbuch): 9783442472079
| Lesegrund
Dieses Buch wurde im Rahmen einer Lesechallenge ausgewählt, die in meinem Podcast »Die Hörmupfel« ausgerufen wurde. Jeder Teilnehmer hatte zuvor ein Buch vorgeschlagen und alle sollten jeweils ihre drei Favoriten auswählen. Für das den persönlichen Favoriten sollte man drei Punkte vergeben, für das zweitliebste Buch zwei Punkte und für das drittliebste Buch ein Punkt. Das Buch mit den meisten Punkten war dann der Sieger. In diesem Fall hieß der Sieger »Kind 44«.
Da wir zuvor den Thriller »Der Rabe« gelesen hatten, der ebenfalls in Russland spielt, ging ich mit gemischten Gefühlen an das Buch ran. Mir hatte »Der Rabe« nämlich überhaupt nicht gefallen und die Vorstellung, dass ich nun an ein ähnliches Thema rangehen müsste, gefiel mir gar nicht.
Motiviert durch die Lesechallenge-Gruppe, stieg ich aber trotzdem mutig in die Story ein und war erstaunt, wie schnell sie an Fahrt aufnahm. Schon auf den ersten Seiten überschlugen sich die Ereignisse und man bekam einen deutlichen Vorgeschmack auf das, was einen noch erwarten sollte.
| Inhalt
Moskau im Jahr 1953. Auf den Bahngleisen eines Bahnhofs wird die fürchterlich zugerichtete Leiche eines kleinen Jungen gefunden. Da es in der Sowjetunion der Stalinzeit aber offiziell keine Verbrechen gibt, wird der Mord zu einem Unfall erklärt. Der regimetreue Geheimdienstoffizier Leo Demidow kann seine Augen aber – nach anfänglichem Zögern – nicht verschließen und beginnt auf eigene Faust zu ermitteln. Damit bringt er nicht nur seine Familie in Gefahr, sondern hunderte von Menschen abseits des russischen Systems.
| Meine Meinung
Wie bereits erwähnt, wurde ich von der Story sofort in den Bann gezogen. Der Autor reißt einen mit brutalen, anschaulich dargestellten Szenen sofort mit. Es wird beschrieben wie 1953 – in der größten Hungersnot des Landes – zwei kleine Jungen auf Jagd nach Essbarem gehen – in diesem Fall auf die Jagd nach der letzten Hauskatze. Diese Szene wird sehr ausführlich beschrieben, was bei mir dazu führte, dass ich meine Lesegeschwindigkeit erhöhte, um zu erfahren, wie das grausige Kapitel ausgeht. Als dann auch nur einer der Jungen wieder nach Hause zurückkehrt, hatte es der Autor geschafft: ich war von der Geschichte gepackt.
Im weiteren Verlauf flacht die Spannung aber immer wieder einmal ab. Es ist nicht ein kontinuierlich steigende Spannungskurve, sondern ein wellenförmiges Auf und Ab. Einerseits fand ich das ein wenig schade, andererseits verschaffte einem das Raum zum Durchatmen, was vielleicht ganz gut war. So konnte man das Lesen – aufgrund des gesteuerten Flows der LeseChallenge – leichter unterbrechen. In den Lesepausen grübelte ich viel über das Gelesene nach und freute mich schon wieder darauf, wenn es endlich weiter ging und wir eine weitere Lese-Etappe in Angriff nehmen konnten.
Der Thriller hat einen Hauptstrang, dem man leicht folgen kann. Der Geheimdienstoffizier Leo Demidow ist die Hauptperson des Buches, die wie ein Leuchtturm im Zentrum der Geschichte steht. Um ihn herum bauen sich mehrere Szenarien auf, wie z.B. die Ermittlungsarbeiten seines Kollegen von der Miliz, die weiteren Tötungsdelikte des Kindermörders, die Verfolgung hunderter von Homosexueller u.v.m. Außerdem lenkt der Autor auch ein starkes Licht auf das russische Regime, das Angst und Schrecken verbreitet und von Korruption und Machtansprüchen durchzogen ist.
Diese Vielschichtigkeit und die Tatsache, dass trotzdem ein „ruhender Pol“ im Mittelpunkt des Thrillers steht, haben mir sehr gut gefallen.
Weniger gut gefallen hat mir die Tatsache, dass der Autor viele Szenen und Gegebenheiten »andenkt«, aber leider nicht zu Ende bringt. So hätte man viele Szenen wesentlich ausführlicher ausbauen können und die Spannungskurven bis zur Schmerzgrenze in die Höhe ziehen können. Das hat er aber leider nicht gemacht, weshalb ich das Buch auch nicht als »Thriller« bezeichnen möchte. Mir fehlte oftmals der »Kick«, der einem vor Spannung den Atmen stocken ließ. Als kleines Beispiel möchte ich einen kurzen Abschnitt gegen Ende des Buches beschreiben: die Szene spitzt sich zu, Leo Demidow trifft auf den Mörder. In diesem Moment betritt ein kleines Mädchen die Bühne, das genauso alt ist, wie die 44 getöteten Kinder. Hier hätte der Autor ein wahres Feuerwerk an Emotionen herauf beschwören können, was er leider nicht fertigbringt. Er lässt die Szene auf halber Emotionshöhe weiterlaufen und beendet die Szene ohne einen großen Knaller. Schade. Sehr schade.
| Fazit
Ich schwanke zwischen 3 und 4 Sterne. Da mir der Ansatz der Geschichte sehr gut gefallen hat, der Schreibstil mich in den Bann zog und ich von der ersten bis zur letzten Minute gefesselt war, tendiere ich zu vier Sterne. Da mir der Hauptprotagonist unsympathisch war, viele Ideen nicht zu Ende gedacht wurden und der Plott nicht thriller-würdig war, möchte ich drei Sterne geben.
Ich entscheide mich für vier Sterne, weil ich mir durchaus vorstellen könnte, auch den zweiten Teil (»Kolyma«) lesen zu wollen und das vielleicht auch noch machen werde.
In diesem Sinne… Gedanken sind frei… Eure Dotti
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