Rezension: Ich war Hitlers Trauzeuge

Titel: Ich war Hitlers Trauzeuge
Autor: Peter Keglevic
Verlag: Knaus Verlag
Seitenzahl: 576
ISBN-13: 9783813507270
Preis: 26.- € (gebundene Ausgabe), 19,99 € (Kindle Edition)

 

Kaufgrund

Der Verlag bot seinen Rezensenten ein kostenloses Leseexemplar dieses Buches zur Rezension an. Man hat dann als Rezensent die Möglichkeit, sich auf eines dieser Ausgaben zu bewerben. Normalerweise bewerbe ich mich nicht auf solche Angebote, weil ich nur über Bücher schreiben oder sprechen möchte, für die ich ein ehrliches Interesse habe. Doch genau das war hier der Fall. Der Titel erregte meine Aufmerksamkeit, weil ich die deutsche Geschichte von 1939 bis 1945 grundsätzlich sehr interessant finde. Sicherheitshalber las ich mir aber auch noch die Inhaltsangabe durch, um mir ein besseres Bild machen zu können. Und ab diesem Zeitpunkt war ich gepackt! Die Geschichte eines jüdischen Sportlers, der zwischen arischen Sportlern an einem Marathon zu Hitlers Ehren mitläuft – das klang verdammt spannend! Allerdings wurde ich von der Buchbeschreibung auch ein wenig abgestoßen, weil der Roman als „tragisch-komische Fiktion“ beschrieben wurde. Ich mag keine Bücher, die man „nicht ernst“ nehmen kann und die im Gro aus „surrealen Fantasien“ bestehen.

Ich gab mir einen Ruck und bewarb mich trotzdem um ein Leseexemplar, das mir glücklicherweise auch zugesprochen wurde, worüber ich mich jetzt im nachhinein riesig freue!

 

Inhalt

April 1945 – der Krieg neigt sich dem Ende zu, Nazi-Deutschland steht vor dem aus. Trotzdem wird zum 13. Mal „Wir laufen für den Führer“ gestartet – ein tausend Kilometer langer Lauf in 20 Etappen von Berchtesgaden nach Berlin. Der Sieger darf dem Führer Adolf Hitler am 20. April persönlich zum Geburtstag gratulieren. Da die meisten Sportler (und in Frage kommenden jungen Männer) im Krieg sind, finden sich nur wenige Läufer am Start ein. Durch einen dummen Zufall wird auch Harry Freudenthal zu diesem Lauf rekrutiert. Sein Problem: er ist ein untergetauchter Jude, Anfang 20, der eigentlich auf dem Weg nach Santiago di Compostela war.

Mit einer einfachen Sportkleidung ausgestattet macht sich Harry in einem Pulk von insgesamt 50 Läufern auf den Weg in die Hauptstadt. Wind und Wetter trotzend und den Gefahren der Bombenangriffe ausgesetzt rennt er – im wahrsten Sinne des Wortes – um sein Leben.

 

Meine Meinung

Als ich das Buch das erste Mal öffnete, wollte ich „einfach mal reinschnuppern“ und nur ein paar Zeilen „anlesen“. Doch einige Zeit später brannten mir die Augen und ich hatte 50 Seiten an einem Stück gelesen. Das Buch zog mich von der ersten Seite an in den Bann. Nach ein paar Sätzen war ich mitten in der Story drin und der angenehm zu lesende Schreibstil zog mich von einer Seite auf die nächste.

Der Roman ist aus der Sicht des Juden Harry geschrieben. Er erzählt dem Leser, wie er in die absurde Situation gerät, an einem „Nazi-Lauf“ von Berchtesgaden nach Berlin teilnehmen zu müssen. Weigert er sich, wird vielleicht seine wahre Identität aufgedeckt oder er wird – was aufs Gleiche hinaus läuft – der Fahnenflucht beschuldigt. Beides bringt ihm den sicheren Tod.

Also beschließt er, das Spiel mitzuspielen. Rein äußerlich geht er – blond, schlank und hochgewachsen – als „Arier“ durch und startet in einem Feld von 50 Mann Richtung Berlin. Unter den Läufern sind nicht nur begeisterte Nazi-Deutsche aus dem einfachen Volk, sondern auch vier Elite-Sportler aus Hitlers Erziehungsanstalten. In das Leben einiger dieser Läufer erhält der Leser Einblick, viele fallen aber auch unbeachtet aus dem Rennen aus. Doch auch die „Unbeachteten“ tragen mit ihrem Ausfall dazu bei, dass dem Rennen eine spannende und grausame Dramatik anhaftet.

Der Fokus liegt definitiv auf Harrys Leben. Wie wuchs er auf? Wo kommt er her? Was gaben ihm seine Eltern und seine Kultur mit auf den Weg? Und wie wurde er zu dem, was er jetzt ist? Wie schaffte er es, so lange unterzutauchen? Wo versteckte er sich in all den Jahren?

Gleichzeitig wird aber auch dieser Marathon nach Berlin beschrieben, der die Läufer ans Ende ihrer Kräfte bringt. Die schmerzhafte Anstrengung war an manchen Stellen des Buches deutlich zu spüren, wenn die Läufer gegen eiskalten Regen und Gegenwind liefen und die Waden und Füße am Abend schmerzten. Ich litt mit ihnen, wenn sie nur eine dünne Suppe und Hagebuttentee bekamen und sich vor Erschöpfung am Wegesrand erbrachen.

Ich bin nicht sicher, ob es in diesem Roman nur ein oder zwei Hauptthemen gibt. Denn neben dem „Lauf zu Ehren Hitlers“ und Harrys Schicksal gibt es noch viele andere (teils extrem skurile) Nebengeschichten, die nicht weniger interessant und intensiv behandelt werden. So begleitet z.B. Leni Riefenstahl, des Führers Reichsfilmregisseurin, den Tross und setzt die Männer für ihre Propagandafilme ins Licht, was zusätzlich sehr unterhaltsam erzählt wird und mich ebenfalls sehr fasziniert hat. Auch die Schicksale und Beweggründe der anderen Läufer werden immer wieder thematisiert, was für mich eine willkommene Abwechslung zu den beiden Hauptthemen war.

Während des Lesens kamen in meinem Kopf immer wieder zwei Gedanken auf. Erstens erinnerte mich das Buch sehr an den Bestseller von Richard Bachmann alias Steven King mit dem Titel „Der Todesmarsch“, in dem es ebenfalls um eine Gruppe von Menschen geht, die an einem Marathon teilnehmen. Allerdings rennen in „Todesmarsch“ alle Teilnehmer um ihr Leben und es wird nur einen geben, der ihn überlebt, was die Sache aber nicht weniger dramatisch macht.

Zweitens hatte ich bei „Ich war Hitlers Trauzeuge“ – im Nachhinein betrachtet – den Eindruck, Peter Keglevic hat in meinem Kopf ein großes Wimmelbuch gemalt. Ich fand in seinem Roman so viele interessante und vielschichtige Einzelgeschichten, die ich zu einem Gesamtbild zusammenfügen konnte. Das hat mir während des Lesens irre viel Spaß gemacht und das war auch der Grund, warum ich es dermaßen verschlungen habe.

 

Fazit

Ich hoffe, ich konnte meine Begeisterung zu diesem Buch deutlich machen. Es gehört neben „Das Jesus-Video“ und „Der Todesmarsch“ ab sofort zu meinen Lieblingsbüchern und wird einen dauerhaften Platz in meinem Bücherregal bekommen.